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Mathesis Universalis - No.7, Summer 1998


Gabriel Falkenberg  
2.10.1950 - 16.02.1998


Was kann mich zur Ruhe bringen -
Voller Furcht sind meine Augen,
Voller Grauen die Gedanken,
Voller Angst mein armes Herz,
Voller Zittern meine Brust -
Was kann mich zur Ruhe bringen ...

        Stanislaw Wyspianski


Als die Universität Warschau Dr. Gabriel Falkenberg Mitte 1997 für Formale Linguistik, Fakultät der Neuphilologie, gewonnen hatte, war das für sie eine außerordentliche Bereicherung. Am Anfang des Sommersemesters 1998 sollte sie mit seinem plötzlichen Tod einen unersetzbaren Verlust erleiden.

Gabriel Falkenberg war ein hervorragender Forscher vor allem auf dem Gebiet der Sprachphilosophie. Er ist Autor des international geschätzten, bereits beinahe vergriffenen Buches Lügen. Grundzüge einer Theorie sprachlicher Täuschung, (Tübingen, 1982, Niemeyer), das als ein fundamentales Werk gilt. 1989 gab er den Sammelband Wissen, Wahrnehmen, Glauben. Epistemische Ausdrücke & propositionale Einstellungen (Tübingen, Niemeyer) heraus, der auch seinen höchst wertvollen Aufsatz zum Begriff "Sehen" und den seines Schülers, Jürgen Pafel, zum Begriff "Scheinen" enthält (neben vielen anderen Artikeln bekannter Autoren). 1992 erschien das Buch Sprachliche Bewertung, Polnisch und Deutsch (gleichzeitig mit einem polnischen Titel; Warszawa, Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego), deren Herausgeber G. Falkenberg, N. Fries und J. Puzynina waren. Dieser Sammelband schließt eine unübertroffene Studie zum Begriff "Drohen" von Gabriel Falkenberg ein.

Die Krönung seiner sprachphilosophischen Arbeit ist das grundlegende, posthum erschienene Buch "Sinn, Bedeutung, Intensionalität. Der Fregesche Weg" (Tübingen 1998, Mohr Siebeck). Einer der führenden Sprachphilosophen unserer Zeit, Julius Moravcsik (Stanford University) schreibt:

    "Dies ist ein ausgezeichnetes Buch sowohl für Forscher als auch für Studenten. Eine scharfsinnige Analyse von Frege, mit guten Vergleichen, die berühmte Zeitgenossen einbeziehen, und subtilen Diskussionen über die jüngsten Frege-Kritiker. Ein originelles historisches und systematisches Werk".
Bogusław Wolniewicz, einer der besten Kenner Wittgensteins, hat Falkenbergs Deutung des Tractatus für sehr wichtig gehalten. Im Grunde genommen stellt Falkenbergs Analyse und Auffassung der Grundbegriffe Wittgensteins eine originelle, gut belegte und nicht zu übersehende Alternative zu den bisherigen Arbeiten über den Tractatus dar (ich kenne Falkenbergs Buch sehr gut, kann aber an dieser Stelle auf Details nicht eingehen).

Gabriel Falkenberg ist Autor von etwa 50 Aufsätzen, Beiträgen und Rezensionen (auf deutsch oder englisch). Insbesondere befaßte er sich intensiv mit der Problematik der Performativität.

Bedeutsam ist auch seine Erforschung der Spezifik des Deutschen. In letzter Zeit entwickelte er u.a. im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit an den Universitäten Warschau und Lódz (Germanistik), ganz neue und anregende Ansätze zu so "brennenden" Themen der germanistischen Linguistik, wie der Verteilung der Genera der Substantive, der echten Regularitäten unter den "starken" (also scheinbar völlig vereinzelten) Verben.

Vor nicht allzu langer Zeit begann ihn die areale Linguistik zu faszinieren. Insbesondere beschäftigte er sich mit der Frage des "Progressivs" (wie das englische (be) writing, das westfällische am Schreiben (sein), mit zahlreichen Parallelen aus dem Baskischen, Irischen, Spanischen u.a.). Dazu hatte er einen Vortrag an der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft mit dem Thema "Sprachbande" in Halle (März 1998) geplant.

Ein anderes Thema, das ihn ebenfalls anzog, war das Problem der Entstehung und der arealen Verbreitung der Artikelsprachen (im Unterschied zu den slavischen Sprachen, die er theoretisch und teilweise praktisch kannte).

Eine der größten Ideen, die er anfing zu entwickeln, war der Versuch, ein universelles Schema der Aktionsarten aufzustellen (im Vergleich mit dem, was er als mehr oder weniger sprachspezifisch auffaßte, z.B. einigen präfixalen Erscheinungen oder, wie er es nannte, Verbzusätzen im Deutschen wie auch den "Aspekten" im Slavischen).

Seine Belesenheit und sein Scharfsinn, die Tiefe seiner Analyse und Synthese in allen Bereichen, mit denen er zu tun hatte (einschließlich der Ethik und Politik) sind außerordentlich.

Gabriel war eine liebende und von vielen geliebte Person. Er war mein bester und ein großzügiger Freund, nachdem ich meine drei besten Freunde aus früheren Zeiten verloren hatte. Wir standen im ständigen Gedankenaustausch. Ich verdanke ihm mehr, als ich es ausdrücken kann.

Er war das, was man so fassen könnte: Denken bis zum letzten Atemzug.

Andrzej Boguslawski