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This paper originally appeared as one of the two items in the booklet entitled Informationsgesellschaft - Quo vadis?, published as No. 36 in the series published by "Konrad-Adenauer Stiftung":

AKTUELLE FRAGEN DER POLITIK.

The other item, contributed by Herman Lübbe, bears the title Netzverdichtung oder das Ende der sogenannten Massengesellschaft. The texts which appear in this series are offered for downloading in the Internet site of "Konrad-Adenauer Stiftung" in a rough form of ASCII files; this HTML formatting has been done for AI Library.


BERND NEUMANN

Politische Rahmenbedingungen
für die Informationsgesellschaft


Bei der Entwicklung der modernen Industriegesellschaften zur globalen Informationsgesellschaft stehen wir in der Bundesrepublik Deutschland vor entscheidenden Weichenstellungen, was die politischen Rahmenbedingungen angeht.

Mit der Informationsgesellschaft beginnt ein neues Zeitalter, das Informationszeitalter. Die Arbeits- und Lebensformen ändern sich grundsätzlicher, als dies vielen Menschen heute noch erscheinen mag. Nur eine Zahl als Beispiel: Schon heute arbeiten 15% der US-Amerikaner per Telekommunikation an Telearbeitsplätzen - bei uns sind es gerade 150.000 und damit erst ein halbes Prozent. Durch die fortschreitende Vernetzung der wirtschaftlichen, politischen und auch gesellschaftlichen Strukturen bis hin in den privaten Bereich werden die räumlichen und zeitlichen Grenzen relativiert, Wohnen und Arbeiten gehen neuartige Symbiosen ein, der Transport vieler physischer Güter in Raum und Zeit wird überflüssig. Aufgabe der Politik in dieser Situation kann es nicht sein, technische Entwicklungen zu steuern oder gesellschaftliche Prozesse zu dominieren. Aufgabe der Politik ist es vielmehr, Chancen und Gefahren zu erkennen, gegenseitig abzuwägen und die gesellschaftlichen Kräfte zu bündeln, um Chancen zu nutzen und Risiken zu mindern. Bei alledem müssen die Stärken und Schwächen kenntlich gemacht werden, die die derzeitige Stellung Deutschlands in dieser Entwicklung ausmachen, und Strategien entwickelt werden, die Deutschland den internationalen wirtschaftlichen und kulturellen Wettbewerb erfolgreich bestehen lassen.

Wo steht Deutschland vor dem Beginn dieses Informationszeitalters?

Arthur D. Little spricht in seinem neuen Buch "Management im vernetzten Unternehmen" provozierend davon, daß Deutschland sich auf dem Weg zum informationstechnischen Schwellenland befände. Zwei signifikante Hemmschwellen werden dafür verantwortlich gemacht:
-- unsere Tendenz zum Perfektionismus gegenüber dem freudigen Experimentieren
und
-- unser durch Trägheit begleitetes Wohlstandsniveau gegenüber dem Drang, Neues zu entdecken und zu erobern ("Obsession to win").

Unbestreitbar sind derartige Charaktereigenschaften in Deutschland anzutreffen. Die Ausgangslage in der Informations- und Kommunikationstechnik stimmt jedoch optimistisch. Deutschland hat eine hervorragende Kommunikationsinfrastruktur, und jetzt kommt es darauf an, möglichst zügig Anwendungsfelder zum Wohl der Wirtschaft und der Menschen zu erschließen.

Hier seien nur stichwortartig einige richtungsweisende Bereiche genannt:

Diese Aufzählung ist sicherlich ergänzungsbedürftig.

Der Schritt zur Informationsgesellschaft liegt in der Kontinuität der Medienpolitik der CDU. Seit den 70er Jahren hat sich die CDU für breitere Partizipationsmöglichkeiten der Bürger an den Medien eingesetzt. Erinnern wir uns: Damals gab es noch das Monopol von ARD und ZDF. Die CDU setzt Anfang der 80er Jahre - gegen den Widerstand der SPD - den Aufbau der privaten Programme und die gesetzliche Verankerung des dualen Systems durch, wie es im Rundfunkstaatsvertrag von 1987 festgeschrieben wurde. Das führt zu einer Öffnung des Marktes, zur Entautorisierung des Monopol-Fernsehens, zu einem größeren und vielfältigeren Programmangebot und damit zu mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung für den Bürger.

Der Schritt zur Informationsgesellschaft wird dieser konsequenten Entwicklung, wie sie sich aus der Kontinuität der Medienpolitik der CDU ergibt, eine neue Qualität verleihen.

Welche Schritte sind notwendig, um den Wandel zur Informationsgesellschaft zu gestalten?

Um hier weiterzukommen, genügt es nicht, Betrachtungen allein von der technischen Seite her anzustellen, Technik ist kein Selbstzweck. Es ist daher notwendig, von Anfang an technische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Sichtweisen zusammenzubringen. Dies geschah bereits im Rat für Forschung, Technologie und Innovation, der sich letztes Jahr konstituiert und als erstes mit dem Thema "lnformationsgesellschaft" befaßt hat.

Der Bericht des Technologierates enthält 41 Empfehlungen, die sich an die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag, die Länder und Kommunen richten, aber auch an Wirtschaftsunternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaft.

Zur Umsetzung der Empfehlungen ist die Initiative "Informationsgesellschaft Deutschland" gestartet worden. Sie ist mehr als ein plakativer Slogan. Diese Initiative soll dazu dienen, die Chancen, die die neuen Informations -und Kommunikationstechniken bieten, zu ergreifen, an vielen Stellen Veränderungen durchzusetzen, Freiräume zu schaffen und unsere Mitbürger für diese Initiative zu gewinnen. Ziel ist es, Multimedia möglich zu machen, zur Zukunftssicherung unseres Landes.

Auf Basis der Empfehlungen des Rates werden folgende Schwerpunkte, die nun umgesetzt werden müssen, angestrebt. Sie bilden gleichzeitig die Hauptelemente des Aktionsplans "Info 2000" der Bundesregierung.


Schaffung eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für neue Informations- und Kommunikationsdienste

[... A part of the text, concerning some details related to the current German law are omitted here.]

Der Bund trägt nach dem Grundgesetz die rechtliche Verantwortung für die Entwicklung in Wirtschaft und Telekommunikation. Er hat dafür auch ausschließliche, konkurrierende und Rahmengesetzgebungskompetenzen, auf die er sich für die Regelung von Multimedia stützen kann. Dies sind beispielsweise Post und Telekommunikation, das Recht der Wirtschaft, der gewerbliche Rechtsschutz, das Urheberrecht, das Verlagsrecht, das bürgerliche Recht, das Arbeitsrecht sowie die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, um hier die für Multimedia wichtigsten zu nennen. Er sieht sich in der Verpflichtung, sie zur Sicherstellung einer freien und chancengleichen Entfaltung sowie zur Förderung eines funktionierenden Wettbewerbs der neuen Dienste auch wahrzunehmen.

[... A part of the text is omitted for the sake of conciseness and for focussing on most general topics. The items omitted are those concerned with legal means to prevent abuse of information, to prevent propagation of extremism and pornography, as well as means to secure data, authenticity of signatures, and intellectual property.]


Vermittlung von Medienkompetenzen

Dies ist ein weiterer Schwerpunkt der Politik auf dem Weg in die Informationsgesellschaft.

Das Bildungswesen nimmt eine Schlüsselrolle bei dem Weg in die Informationsgesellschaft ein. Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft und auch Stiftungen müssen zusammenwirken, um die Menschen auf ein Leben mit den neuen Informations- und Kommunikationstechniken vorzubereiten.

Telelearning betrifft alle Bereiche der Bildung: allgemeine und berufliche Bildung, Weiterbildung sowie Hochschulbildung. Die Vorbereitung der Informationsgesellschaft beginnt in den Schulen.

Von rund 43.000 Schulen haben heute weniger als 500 einen Internet-Anschluß, und nur für rund 2% der Schüler steht ein Computer-Arbeitsplatz zur Verfügung. Daher hat der Technologierat empfohlen, in einem ersten Schritt ein Drittel der Schulen an das Wissenschaftsnetz anzuschließen, nutzerfreundliche Hard- und Software zu entwickeln sowie Maßnahmen zur Aus- und Fortbildung von Lehrpersonal zu ergreifen. Technikumgang und Medienkompetenz muß vermittelt werden.

Diese Empfehlung ist in der gemeinsam mit der Deutschen Telekom gestarteten Initiative "Schulen ans Netz" aufgegriffen worden. Junge Menschen sollen schon in der Pflichtschulzeit den Umgang mit vernetzten Informationssystemen erlernen. Nicht nur Computerspiele, sondern gezielte Suche nach Informationen muß erprobt werden. Multimedia als Bereicherung statt Berieselung!

Nach dem derzeitigen Konzept sollen die staatlichen und staatlich anerkannten Grundschulen, die allgemeinbildenden Schulen im Sekundarbereich und die Berufsschulen antragsberechtigt sein. Gleiches gilt für die Landeseinrichtungen der Lehrerfortbildung und schließlich sollen auch länderinterne und länderübergreifende Infrastrukturmaßnahmen gefördert werden. Bereits in den Sommerferien sollen die notwendigen technischen Vorkehrungen und Installationen vorgenommen werden, damit die Arbeit nach den Ferien beginnen kann.

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) will insgesamt 10.000 Schulen die Möglichkeit geben, das Wissenschaftsnetz des Deutschen Forschungsnetz (DFN)-Vereins über ISDN-Wählanschlüsse bis Mitte 1998 unentgeltlich zu nutzen. Die Zahl der Einwählpunkte in das Wissenschaftsnetz soll so weit erhöht werden, daß der Zugang für die Schulen ganz überwiegend zum Orts- und Nahtarif möglich ist. Gleichzeitig wird ein deutscher Bildungsserver eingerichtet, den die Schulen als lnformations- und Kommunikationsplattform und als Wegweiser durch die Netzlandschaft nutzen können.

Für Maßnahmen, mit denen die Länder durch übergreifende Modellversuche die Initiative "Schulen ans Netz" ergänzen wollen, stehen entsprechende Komplementärmittel des Bundes bevorzugt bereit. Diese sollen die Länderinitiativen ergänzen und unterstützen und nicht mit ihnen konkurrieren.

Das Lehrpersonal soll gezielt durch Schulungskurse mit Recherchen im Bereich der wissenschaftlich-technischen Fachinformation vertraut werden. Auch soll die gesamte Initiative wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden, damit entsprechende Folgeaktivitäten vorbereitet werden können.

Insgesamt stellt das BMBF in den nächsten Jahren rund 23 Millionen DM für die Initiative "Schulen ans Netz" bereit, die Deutsche Telekom steuert 36 Millionen DM, insbesondere für digitale ISDN-Anschlüsse und Übernahme von Gebührenkontingenten bei.

Die Initiative muß jedoch noch auf eine weit größere Basis gestellt werden. In den USA ist dies selbstverständlich. Auch in Deutschland gelang es, einige Firmen für ein Sponsoring der Initiative "Schulen ans Netz" zu gewinnen. Hier wird aber noch mehr Unterstützung gebraucht. Insbesondere ist es notwendig, noch mehr Hardware in die Schulen zu bekommen, damit in der Ausbaustufe - ähnlich wie in den USA bis zum Jahr 2000 geplant - jedes Klassenzimmer und nicht nur jede Schule am Netz angeschlossen ist. Die Initiative kann nur erfolgreich sein, wenn sie von vielen mit deutlichen Beiträgen unterstützt wird.

Ein wichtiger Akzent soll im Bereich der Hochschulen gesetzt werden. Auch die Hochschulen müssen sich den dramatischen Veränderungen, die mit der Digitalisierung von Informationen und ihrer Verbreitung in internationalen Netzwerken einhergehen, stellen. Sie gehören als Stätten der Forschung zu den Pionieren der neuen Informationsnutzung. Sie sind zugleich bei der Ausbildung der Entscheidungsträger der nächsten Generation besonders aufgerufen, eine Schrittmacherrolle zu übernehmen. Die Hochschullehre wird sich durch die Nutzung der neuen Medien qualitativ erheblich verändern. In den nächsten Jahren kommt es darauf an, in die normale Lehre aller Fächer verstärkt entweder Elemente interaktiver multimedialer Anwendungen im Netz oder CD-ROM als Kommunikationsform zu integrieren.

Es gilt, die Hochschulen und die Studenten als Produzenten neuer Ausdrucksformen und als Nutzer fit zu machen. Voraussetzung hierfür ist, daß Studenten und Hochschullehrer ausreichend über Möglichkeiten verfügen, multimediafähige PCs zu nutzen. Und dies nicht nur zu Hause, sondern auch in den Hochschulen am Netz und - wo nötig - auch am Hochgeschwindigkeitsnetz.

So soll bei der Novellierung des Hochschulbauförderungsgesetzes die Möglichkeit geschaffen werden, dringend notwendige Schwerpunktsetzungen in innovativen Bereichen vorzunehmen, um die Hochschulen hier entsprechend auszustatten. Derzeit wird daher ein Vorschlag vorbereitet, die notwendige Modernisierung der Hochschulen einschließlich Fachhochschulen im Multimedia-Bereich voranzubringen. Hier geht es um die Beschaffung multimediafähiger PCs mit den entsprechenden Netzwerkanbindungen für die Hochschulen. Nur mit modernster Ausstattung wird es möglich sein, auf breiter Front einen unmittelbaren Zugriff auf Studienmaterial und Übungen, auf Vorlesungsskripte sowie Standardliteratur zu gewährleisten. Wartezeiten bei Bibliotheken können gespart und das Selbststudium durch den Zugriff auf den weltweiten Wissensschatz unterstützt werden. Vorlesungsbegleitend können elektronisch gestützte Übungen durchgeführt oder Seminararbeiten der Studierenden über das Netz vermittelt werden.

Die Modernisierung der Hochschulen muß Hand in Hand gehen mit dem Ausbau des Breitband-Wissenschaftsnetzes, das in seiner Ausbaustufe Übertragungsraten von 155 Megabit pro Sekunde erlaubt. Minister Rüttgers hat im Februar bei der CeBIT `96 den Betrieb dieses Netzes gestartet.

Nur wenn wir in gemeinsamer Verantwortung für den Wissenschaftsstandort Deutschland initiativ werden, können wir den Weg in die Informationsgesellschaft erfolgreich meistern.

Weitere bereits ergriffene oder in Vorbereitung befindliche Maßnahmen zur Vorbereitung Deutschlands auf die Informationsgesellschaft betreffen schlaglichtartig:

Insgesamt stellt das BMBF 1996 erstmals mehr als 1 Milliarde DM an Fördermitteln für die Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung.


Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Fragen

Die Gestaltung der Informationsgesellschaft verlangt nicht nur die Beherrschung technischer und wirtschaftlicher Transformationsprozesse, sondern auch eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Fragen. Im sogenannten Forum "lnfo 2000", das der BMBF gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister durchführt, wird der Dialog mit möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen gesucht. Hier gilt es festzustellen, was Multimedia für die einzelnen Gruppen konkret bedeutet, wo Risiken liegen, wo berechtigte Sorgen zu betrachten sind und wie die identifizierten Problemfelder gelöst werden können. Damit ist die Hofffnung auf wesentliche Rückschlüsse für die weitere Ausgestaltung der Bildungs- und Forschungspolitik verbunden.

Verwerfungen sozialer oder kultureller Art müssen verhindert werden. Weiterentwicklungen auch der politischen Kultur sind denkbar. Bei aller notwendigen Diskussion über die Gefahren der Informationsgesellschaft dürfen wir aber nicht zum Volk der Bedenkenträger werden, das nur über Rundfunk, Kinderpornographie, Rechtsextremismus und Kryptographie debattiert und dabei den Zug in die Informationsgesellschaft verpaßt.

Vorrangig gilt es, die Chancen der modernen Informations- und Kommunikationstechniken zu erkennen und die guten Voraussetzungen bei der Telekommunikationsinfrastruktur zu nutzen.

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