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Österreichische Stellungnahme

zum Arbeitsdokument der Kommission SEC (98) 1284

Das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr nehmen in Ergänzung der allgemeinen Stellungnahme Österreichs zum Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien zu den im Arbeitsdokument der Kommission SEC (98) 1284 aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung:

 

Frage 1 – Zugang zu Netzen und digitalen Gateways in einer konvergierenden Umgebung

  1. Netze

1) Im Zuge der Restrukturierung des Telekom-Sektors wird durch die Anwendung branchenspezifischer Wettbewerbsregulierung die Entwicklung von Wettbewerb ermöglicht.

Dieses Sonderwettbewerbsrecht auf Basis der einschlägigen EU-Richtlinien läßt sich aufgrund der bis vor kurzem monopolistischen Struktur des Marktes rechtfertigen. Ex-ante Mechanismen der Regulierung und Durchgriffsrechte unabhängiger Regulatoren als Ersatz für die noch nicht existenten Marktkräfte in diesem Sektor stellen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Netzen dominierender Unternehmen sicher und schaffen damit die Möglichkeiten des Markteintritts und der Marktbehauptung neuer Anbieter.

Bereits im ersten Jahr der Liberalisierung des Sektors sind die angestrebten Auswirkungen – Investitionen des privaten Sektors in Ausbau von Netzkapazität, Innovation bei Technik und Diensten, Preissenkungen für den Konsumenten und daraus resultierend Stimulierung der Nachfrage und der Netznutzung – mehr als nur in Ansätzen sichtbar. Die Angemessenheit und die Notwendigkeit dieser sektorspezifischen Wettbewerbsregulierung im Telekom-Bereich zum derzeitigen Zeitpunkt steht außer Frage. Eine Rücknahme der Regulierungsdichte hat im Einklang mit der zunehmenden Etablierung von Wettbewerb zu geschehen. In bestimmten Bereichen, etwa im Zusammenhang mit dem Management knapper Ressourcen oder der Erfüllung spezifischer Funktionen im öffentlichen Interesse, wird branchenspezifische Regulierung langfristig aufrechtzuerhalten sein.

2) Die gesamte Bandbreite der Kommunikations- und Informationsdienstleistungen wird aufgrund der technologischen Entwicklung über Infrastrukturen übertragen, die bisher als Verteilerplattformen für bestimmten Dienste- und Inhaltekategorien (audiovisuelle Medien, Telekommunikation) fungierten.

In dem Maß in dem

  1. Infrastrukturen als Vertriebsplattformen für bisher sektorfremde Dienste und Inhalte an Stellenwert gewinnen
  2. marktmächtige Netzbetreiber in zunehmenden Maße als Anbieter von bisher sektorfremden Diensleistungen und Inhalten auftreten (z.B. Kabel-TV Betreiber als Anbieter von Sprachtelefonie) und
  3. in bestimmten Infrastrukturbereichen (z.B. im Breitbandbereich) Ressourcenknappheiten bestehen

ergeben sich im Zusammenhang mit der Sicherstellung nichtdiskriminierenden Zugangs der Anbieter neuer Dienste zu Infrastrukturen sektorübergreifend ähnliche Fragestellungen und Anforderungen an die Regulierung.

Neutrale Regulierung in Bezug auf Übertragungstechnologien würde Wettbewerb zwischen den technologisch verschiedenen Verteilerplattformen stimulieren und eine integrierte Nutzung der Netze für das digitale Diensteangebot beschleunigen. Die positiven Effekte der Wettbewerbsentwicklung für Konsumenten würden dadurch verstärkt.

Im Zuge der Revision 1999 des gemeinschaftrechtlichen Rahmens für den Telekom-Sektor wären die potentiellen Vorteile eines horizontalen Ansatzes der Infrastruktur- und Zugangsregulierung und die Möglichkeiten einer diesbezüglichen Erweiterung der Grundsätze der ONP-Richtlinien zu analysieren.

 

  1. Digitale Gateways

Im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Infrastrukturen und der Entwicklung eines vielfältigen Multimedia-Angebots ist die Frage des Zugangs zu digitalen Gateways (CA-Systeme, APIs, EPGs) für Anbieter von Dienstleistungen und Inhalten sowie für den Konsumenten von besonderer Relevanz.

Die Ausgangsposition zur Entwicklung effizienter Marktstrukturen in diesem Bereich ist jedoch eine andere als im Bereich der Infrastrukturen, wo Unterstützung der Wettbewerbsentwicklung durch regulatorische Maßnahmen aufgrund der monopolistischen Struktur des Sektors von vornherein unumgänglich erscheint.

Trotzdem besteht bei weitgehendem Fehlen jeglicher branchenspezifischer Regulierung die Gefahr, daß im Zuge der Einführung neuer technologischer Systeme monopolähnliche Situationen entstehen. Insbesondere könnten marktmächtige vertikal integrierte Unternehmen durch proprietäre Standards und gebündelte Vermarktung ihres Diensteangebots den Zugang zu Verteilerkanälen kontrollieren.

Derartige Entwicklungen, die der Verwirklichung der Ziele im öffentlichen Interesse, einem kompetitiven Multimedia-Umfeld mit Pluralität des Dienste- und Inhalteangebots zu erschwinglichen Kosten, entgegenstehen, würden wie im Infrastruktur-Bereich die Anwendung von regulatorischen ex ante Mechanismen zur Förderung fairen Wettbewerbs und Sicherstellung öffentlicher politischer Ziele rechtfertigen.

Mit antizipierenden Maßnahmen der Regulierung ist jedoch vorsichtig umzugehen, da die Entwicklung der Technologien im Bereich digitaler Diensteangebote noch nicht absehbar ist. Die Festlegung gesetzlicher Standards im Bereich digitaler Gateways könnte technologische Entwicklungen begünstigen, die unter Umständen am Markt vorbeizielen und damit Hemmnisse für Investitionen in innovative Produkte zur Folge darstellen würden.

Derzeit laufen Bemühungen der betroffenen Marktteilnehmer im Rahmen von Standardisierungsgremien auf Basis freiwilliger Zusammenarbeit offene Plattformen und Schnittstellen festzulegen, um den Markt für multimediale Dienste im eigenen Interesse bestmöglich zu erschließen.

Sollten diese zu keinen Erfolgen führen wird seitens Österreichs eine Ausdehnung der Grundsätze diskriminierungsfreien Zugangs der Richtlinie 95/47/EG über Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen auf andere Bereiche des digitalen Diensteangebots angeregt.

 

Frage 2 – Schaffung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovation und Förderung der Erstellung, Verteilung und Verfügbarkeit europäischer Inhalte

Die Entwicklung des Informations- und Kommunikationssektors wird primär vom privaten Sektor vorangetrieben. Netzausbau und die Einführung innovativer Dienste erfordern, aufgrund der unbestimmten Marktentwicklung oftmals risikoreiche Investitionen in großem Ausmaß. Vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Sektors ist bei Schaffung der gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen auf ein private Investitionen begünstigendes Umfeld besonderer Wert zu legen.

Die sektorspezifischen Regulierungsbehörden im Telekommunkationsbereich haben im Besonderen auch die wichtige Funktion von Marktaufsichtsbehörden. Die Wettbewerbsbedingungen und die Marktentwicklung werden laufend analysiert, um in sensiblen Bereichen, wie beispielsweise der Frequenzvergabe für UMTS, möglichst investitions- und wettbewerbsneutrale Entscheidungen zu gewährleisten. Im Zuge der Entwicklung zu einem konvergenten Information- und Kommunikationssektor werden im Rahmen dieser Marktaufsichtsfunktion zunehmend sektorübergreifende Fragestellungen zu berücksichtigen sein.

Im Bereich der Dienste- und Inhalteregulierung wird die Anwendung vertikal abgegrenzter Regulierungsbereiche in erster Linie aufgrund unterschiedlicher öffentlicher Interessen in den Sektoren zum jetzigen Zeitpunkt für sinnvoll erachtet. Weitgehende Beibehaltung dieser Regulierungsstruktur darf jedoch nicht zu steigender Rechtsunsicherheit bei Unternehmen wie bei Verbrauchern und zunehmend komplexeren Regulierungsverfahren zu Lasten der Investitionsbereitschaft der Unternehmen führen. Problematisch in diesem Zusammenhang sind etwa hybride Diensteformen, die nicht eindeutig einem Regelungsbereich zugeordnet werden können oder Überschneidungen und Doppelgleisigkeiten in den Zuständigkeiten zur Regulierung horizontal integrierter Unternehmen.

Auf gemeinschaftlicher Ebene sollte versucht werden transparente und – bei aller nötigen Flexibilität – möglichst eindeutige Kriterien zu finden, die eine flexible Reaktion auf auftauchende Zuordnungs- bzw. Zuständigkeitsprobleme auf rechtlicher und institutioneller Ebene ermöglichen.

 

Frage 3 – Sicherstellung eines ausgewogenen Regelungskonzepts

In den konvergierenden Sektoren wird sektorspezifische Regulierung zur Sicherstellung öffentlicher Interessen in erster Linie im Zusammenhang mit Zugangs- und Inhalteregulierung für notwendig erachtet, da Marktergebnisse nur idealerweise den politischen Zielen im öffentlichen Interesse entsprechen.

Im digitalen Zeitalter werden bedingt durch die technologischer Entwicklung, Änderungen der Anbieterstrukturen und Diversifikation der Nachfrage laufend Adaptierungen der öffentlichen politischen Ziele sowie der Regulierungsmechanismen zu ihrer Sicherstellung notwendig sein.

1) Der dem derzeitigen gemeinschaftrechtlichen Konzept entsprechende Universaldienst im Telekom-Bereich könnte in absehbarer Zeit allein durch Marktmechanismen gewährleistet werden wodurch eine Anwendung der einschlägigen Normen nicht länger gerechtfertigt wäre. Mit zunehmender Verbreitung der Technologie und Pluralität des Diensteangebots wird jedoch eine Weiterentwicklung des Universaldienstes, hinsichtlich seiner inhaltlichen Definition und damit einhergehend der Finanzierungskonzepte, zu diskutieren sein, die den geänderten Bedürfnissen der Konsumenten und den tatsächlichen Marktbedingungen entspricht.

2) Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben aufgrund ihres öffentlichen Auftrages ein umfassendes Gesamtprogramm anzubieten, das bestimmten qualitativen Kriterien zu entsprechen hat. Dieses öffentlich-rechtliche Programmprofil wird gerade auch im digitalen Zeitalter, das sich durch eine Fülle von individualisierten und fragmentierten Programmangeboten charakterisieren wird, von großer Bedeutung bleiben. Denn je stärker sich dieses digitale Programmangebot ausdifferenzieren wird, umso größer wird wiederum auch die Nachfrage nach Orientierung und damit auch nach Integration werden, die vorwiegend von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgrund ihrer Organisationsstruktur und ihres gesetzlich definierten öffentlichen Programmauftrages eingelöst erden kann. Gerade aufgrund der Fragmentierung des Angebotes wird das Bedürfnis nach gemeinsamen Themen zunehmen, über die öffentlich debattiert wird.

Aus demokratie- und bildungspolitischen Erwägungen bedarf es hier der notwendigen rechtlichen Absicherungen, damit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch in Hinkunft ihre so wichtige Integrationsfunktion im neuen digitalen Umfeld voll und ganz wahrnehmen können. Die notwendigen Rahmenbedingungen werden den Zugang zu neuen Diensten und Geschäftsfeldern sicherzustellen haben, wobei sich die Partizipation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an den neuen technologischen Entwicklungen insbesondere aus zwei Überlegungen herleitet:

  1. Als zusätzliche Einnahmequelle, um die aufgrund vermehrter Konkurrenz zu erwartenden Einnahmensverluste (geringere Werbeerlöse) auszugleichen;
  2. und

  3. als unabdingbare Voraussetzung, um innovative und zukunftsweisende Programmangebote auf Basis des Programmauftrages zu entwickeln.

Festzuhalten gilt es in diesem Zusammenhang allerdings, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bzw. die Definition, Umsetzung und Ausgestaltung des öffentlichen Auftrages in die autonome Kompetenz der Mitgliedstaaten zu fallen hat, wie dies das dem Amsterdamer Vertrag angeschlossene Protokoll zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk festhält und wie dies die vom Kulturministerrat am 17. November 1998 angenommene „Resolution zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk" bekräftigt hat.

3) Vor dem Hintergrund der Verfielfältigung und Diversifizierung des Dienstleistungs- und Inhalteangebots ist die Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus für Konsumenten zu gewährleisten. Im Interesse der Verbraucher und im Interesse der Unternehmen an klaren, vorhersehbaren rechtlichen Rahmenbedingungen ist bei vergleichbaren Dienstleistungsangeboten auf Kohärenz des Regulierungsrahmens zu achten, auch wenn diese Dienste unterschiedlichen vertikal gegliederten Regulierungsbereichen unterliegen.

Im Zuge der Zunahme globaler Dienste etwa im E-Commerce Bereich sind international kompatible Grundprinzipien und Mindeststandards im Verbraucherrecht, betreffend Datenschutz und Schutz der Privatsphäre, Jugendschutz, Schutz vor unlauteren Wettbewerbspraktiken, auf gesetzlicher Ebene erstrebenswert.

Verfahren zu detaillierter Gesetzgebung werden sich jedoch in vielen Fällen als zu unflexibel erweisen, um mit der raschen technologischen Entwicklung Schritt halten zu können. Die Zunahme global angebotener Dienste erschwert die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung. Ohne die Bemühungen des privaten Sektors, international kompatible Selbstregulierungsvereinbarungen festzulegen, wird ein hohes Verbraucherschutzniveau nicht zu halten sein. Derartige Vorhaben wie beispielsweise im Rahmen des von der Europäischen Kommission initiierten Global Business Dialogs sollten aus diesen Gründen seitens des öffentlichen Sektors massiv unterstützt werden.


GZ 100143/IV-TP/99

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr
IV/A/1
Kelsenstrasse 7
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Bundeskanzleramt / Verfassungsdienst
IV/4
Ballhausplatz 2
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